Das Fibromyalgiesyndrom — eine somatoforme (Schmerz)störung?

Abstract
Die Hypothese, dass das Fibromyalgiesyndrom (FMS) als eine Variante somatoformer Schmerzstörungen anzusehen ist, wird auf der Grundlage aktueller klinischer Studien überprüft. Als Kriterien somatoformer Störungen fordert das ICD-10 somatische Krankheitsattributionen, eine hohe Inanspruchnahme medizinischer Leistungen und eine frustrierende Arzt-Patient-Interaktion. Zur Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung werden zusätzlich das Auftreten der Schmerzsymptomatik in zeitlichem Zusammenhang mit emotionalen oder psychosozialen Konflikten sowie der Ausschluss depressiver Störungen gefordert. Nach der aktuellen Studienlage sind Punkt- und Lebenszeitprävalenz psychischer Störungen, Häufigkeit von biographischen Belastungsfaktoren sowie die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen von Patienten mit FMS erhöht. Die meisten Patienten geben eine Wechselwirkung körperlicher und seelischer Faktoren als Ursache ihrer Beschwerden an. Die Arzt-Patient-Interaktion wird für beide Seiten als enttäuschend beschrieben. In allen Studien erfüllt jedoch nur ein Teil der FMS-Patienten die Kriterien einer somatoformen Schmerzstörung. Ein biopsychosoziales Modell des FMS mit einer unterschiedlichen Gewichtung biologischer und psychosozialer Faktoren in Prädisposition, Auslösung und Chronifizierung wird als Alternative zum Konzept der somatoformen Schmerzstörung dargestellt. Dieses Modell ermöglicht einen differenzierteren Einsatz psychotherapeutischer und pharmakologischer Behandlungen.