Abstract
ZUSAMMENFASSUNG: SPEZIFITÄT DER CHEMOREZEPTOREN IN VERBINDUNG MIT DER WAHL DES FRAßORTES DURCH DEN KÄFER CHRYSOLINA BRUNSVICENSIS AUF SEINER WIRTSPFLANZE HYPERICUM HIRSUTUMEinige chemosensorische Erscheinungen, welche die Wirtspflanzenwahl oder die Orientierung auf der Wirtzpflanze beeinflussen könnten, wurden in der Wechselbeziehung des erwachsenen Chrysomeliden Chrysolina brunsvicensis mit seiner Wirtspflanze Hypericum hirsutum (Hype‐ricaceae) untersucht. Die größten Dichten fressender Käfer pro Oberflächeneinheit der Pflanze treten an den Blütenköpfen und der Rest im oberen Drittel der Pflanzen auf.Haarförmige Chemorezeptoren und mechanorezeptorische Sensillen wurden auf den 5. Tarsengliedern aller Beine von C. brunsvicensis gefunden, in einem Verteilungsmuster, das dem des Kartoffelkäfers, Leptinotarsa, und verschiedenen anderen Chrysolina‐Arten ähnelt, die nicht an Hypericum fressen.Die Reaktionen der einzelnen Chemorezeptor‐Zellen innerhalb dieser Sensillen wurden durch Verwendung einer hochempfindlichen Registriertechnik mit Glasmikroelektroden untersucht, die in die distalen Fortsätze eingepflanzt waren. Lösungen von 1–1 Elektrolyten (z.B. NaCl, KCl) wurden auf die Sensillenspitze aufgebracht. Sie riefen eine Reaktion in einer Zelle (Typ 1) verschiedener tarsaler Sensillen von C. brunsvicensis hervor. Die Reaktionsschwellen‐Konzentration und die Konzentrationsabhängigkeit der zugehörigen Reaktion wurden für KCl‐, NaCl‐, NaBr‐ und NaJ‐Lösungen bestimmt. Die Reaktion dieser Zelle konnte teilweise oder völlig durch Lösungen von CaCl2 verhindert werden (bis zu 60 mM), sogar in Gegenwart von Kochsalz, auch in einer Reizlösung. Homologe Rezeptorzellen wurden in Tarsaigliedern von C. menthastri und C. polita gefunden, die auf 1–1 Elektrolyte ähnlich reagierten.Eine für Hypericum‐Acten (einschließlich H. hirsutum) spezifisische Substanz, das Hypericin (Hexahydroxy‐dimethyl‐naphthodianthron) reizte eine Zelle (Typ 5) in verschiedenen tarsalen Sensillen von C. brunsvicensis. Diese Substanz erwies sich als unwirksam zur Erzeugung einer Reaktion bei Chemorezeptoren von C. menthastri und C. polita, auch wenn die konzentrierteste verfügbare Lösung (5mM) verwendet wurde. Bei C. brunsvicensis lag die Reaktionsschwelle etwa bei 2.10−5 M.Eine “Wasser”‐Rezeptorzelle (Typ 3) wurde bei C. brunsvicensis ebenfalls nachgewiesen; die maximale Reaktion dieser Zelle wurde durch 9 mM‐NaCl‐Lösung ausgelöst und ihre Reaktion wurde durch 75mM NaCl gehemmt. Lösungen von Rohrzucker, Glukose und Fruktose (100 mM bis 2 M) lösten bei keiner der Zellen eine Reaktion aus.Bestimmungen der Pauschalkonzentrationen von Na, K, Ca, Hypericin und Wasser wurden von allen Teilen der H. hirsuium‐Pflanzen durchgeführt. Es bestehen keine Beziehungen zwischen den Konzentrationen von Na, K und Wasser und der Höhe der Proben‐Entnahmestelle über der Bodenoberfläche. Die Ca‐Konzentrationen waren in den oberen Teilen der Pflanzen geringer. Es bestand ein deutlich gekennzeichneter Konzentrationsanstieg des Hypericins in den Blütenköpfchen im Vergleich mit jedem anderen Teil der Pflanze; die höchsten Konzentrationen treten in den schwarzen, gestielten Organen an den Blüten‐ und Kelchblättern auf. Infolge der Auflösung dieser Organe in reifen Blüten wird das Hypericin in freier, wäßriger Lösung ausgeschieden und könnte als Stimulationslösung ohne Zerstörung der Pflanzenzellwände wirken.Daher könnte ein Konzentrationsanstieg des Hypericins die Ansammlung der Käfer und ihren Fraß an den Blütenköpfchen und den oberen Pflanzenteilen verursachen. Die Entdeckung von Rezeptorzellen, welche selektiv auf geringe Hypericin‐Konzentrationen in wäßriger Lösung ansprechen, weisen darauf hin, daß der Käfer einen Sinneskanal besitzt, durch welchen die Information über einen solchen Gradienten wahrgenommen werden kann.