Neurophysiologisches Monitoring (Elektroenzephalogramm, evozierte Potentiale) und Benzodiazepinwirkung
- 1 June 1988
- journal article
- Published by Georg Thieme Verlag KG in AINS - Anästhesiologie · Intensivmedizin · Notfallmedizin · Schmerztherapie
- Vol. 23 (03) , 145-152
- https://doi.org/10.1055/s-2007-1001609
Abstract
Seit der klinischen Einführung von Diazepam, Flunitrazepam und Midazolam werden die Benzodiazepine zunehmend zur Prämedikation, Narkoseeinleitung und Langzeitsedierung bei Intensivpatienten eingesetzt, wobei vor allem die anxiolytische und sedierende Komponente dieser Substanzklasse ausgenutzt wird. Für ein Monitoring der Benzodiazepinwirkungen müssen ihre Effekte auf das Elektroenzephalogramm (EEG) und die evozierten Potentiale (EP) bekannt sein, bevor eine Abschätzung des Sedierungsgrades auch bei Kombination mit anderen Anästhetika (Hypnotika/Analgetika) möglich ist. Während das EEG die spontane hirnelektrische Aktivität widerspiegelt, stellen sensorisch evozierte Potentiale reizbezogene elektrische Antworten dar. Sie können Auskunft über die funktionelle Integrität afferenter Leitungsbahnen von der Peripherie bis zum Kortex geben. Mit Entwicklung des spezifischen Benzodiazepinantagonisten Flumazenil wird wegen seiner kompetitiven Bindung an den Benzodiazepinrezeptor die Möglichkeit eröffnet, eine zeitlich steuerbare pharmakodynamische Umkehr der Benzodiazepinwirkung hervorzurufen und eine Veränderung elektrophysiologischer Parameter zu studieren. Als charakteristische EEG-Veränderungen unter Benzodiazepinwirkung finden sich Aktivitätssteigerungen in höheren Frequenzbereichen sowie eine Abnahme der alpha-Aktivität mit Eintritt der Sedierung. Simultan hierzu findet sich eine Aktivitätssteigerung im niederen Frequenzbereich. Die durch Benzodiazepine hervorgerufenen Veränderungen werden durch Flumazenil zu einem großen Teil wieder rückgängig gemacht, wobei das zeitliche Verhalten des EEG-Spektrums entsprechend der Halbwertszeit von Flumazenil bestimmt wird. Kortikale EP-Komponenten werden durch Benzodiazepine supprimiert, jedoch bleiben subkortikale, in tieferen Gehirnregionen generierte Potentiale durch die bisher klinisch untersuchten Benzodiazepine weitgehend unbeeinflußt. Die aufgrund der technischen Entwicklungen mittlerweile auch klinisch einsetzbaren Multikanalableitungen von EEG und EP mit nachfolgender mathematischer Interpolation der gemessenen Spannungsverläufe über die Skalpoberfläche ermöglichen ein genaueres Studium der topographischen Lokalisation der elektrophysiologischen Veränderungen unter Pharmakonwirkung. Wegen des großen apparativen und personellen Aufwandes bedeutet dies für die anästhesiologische Praxis jedoch zur Zeit noch keine routinemäßig einsetzbare Überwachungsmöglichkeit. In erster Linie ist durch Einsatz dieser Methode die Klärung wichtiger Fragen über das zeitlich dynamische Verhalten sowie die regionale Ausdehnung der elektrischen Hirnstromaktivität zu erwarten. So zeigte sich, daß die Generatoren der vertexnahen SEP-Komponente durch Midazolam weitgehend unterdrückt und nicht nur in andere Regionen - von einer Ableitelektrode fort - verschoben werden, während Antagonisierung durch Flumazenil zu einem Wiedererscheinen über der gleichen Lokalisation führt. Insgesamt gesehen können zentralnervöse Benzodiazepinwirkungen eher aus dem Verhalten des Spontan-EEG bzw. des EEG-Frequenzspektrums als aus dem aus vielen EEG-Segmenten generierten relativ unspezifischen EP-Verhalten abgelesen werden. Benzodiazepine können zur Sedierung gewählt werden, wenn aus diagnostischen Erwägungen konstante subkortikale EP-Komponenten gefordert werden. Späte kortikale EP-Komponenten sind sowohl der Vigilanz als auch Pharmakoneffekten unterworfen. Hierbei können benzodiazepinbedingte Alterationen von Veränderungen anderer Genese (Intoxikation mit Kombinationspräparaten, Trauma) zum großen Teil durch Flumazenil wieder rückgängig gemacht werden. Since the introduction of diazepam, flunitrazepam and midazolam into clinical practice benzodiazepines have been increasingly used for premedication, induction of anesthesia, and long-term sedation in the intensive care unit utilizing their anxiolytic and sedative components. Intraoperative monitoring of central nervous structures has to take into account the effects of benzodiazepines on the electroencephalogram (EEG) and evoked potentials (EP) before their contribution to alterations in brain electrical activity during balanced anesthesia with combination of different drugs can be evaluated. EEG reflects the spontaneous brain electrical activity whereas EP are the averaged time-locked electrical responses to external stimulation. They are thus able to assess the functional integrity of afferent neuronal pathways from peripheral nerves to cortical areas. The specific benzodiazepine antagonist flumazenil binds competitively to benzodiazepine receptors and is able to induce a change in pharmacodynamic parameters, which i. e. can be measured by EEG- and EP-recordings. Characteristical changes in the EEG after benzodiazepine medication consist in an activation of higher EEG-frequencies simultaneous to a decrease in alpha-activity. A facultative increase in delta-activity seems to be dependent on the absolute dose administered and on the speed for intravenous injection. Benzodiazepine-induced EEG-alterations can be reversed by flumazenil almost completely but in the time course will change again in correspondence to the plasma levels of the benzodiazepines and the half-time of flumazenil. Cortical EP-components are suppressed by benzodiazepines whereas subcortical generated potentials are not altered. Brain-electrical activity imaging by multichannel recordings and mathematical interpolation for isovoltage lines across the scalp facilitates topographical location of drug-induced alterations of the generator sites for electrical activity. This new method at this time is not a routine monitoring method but may provide deeper insight into the time-dependent...Keywords
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