Zur toxikologischen Beurteilung der Schwermetallgehalte (Cd, Hg, Pb) in Säuglings- und Kleinkindnahrung
- 1 March 1990
- journal article
- abstracts
- Published by Springer Nature in Zeitschrift Fur Ernahrungswissenschaft
- Vol. 29 (1) , 54-73
- https://doi.org/10.1007/bf02019535
Abstract
Die klinischen Symptome und die Toxokinetik von Schwermetallintoxikationen zeigen Unterschiede zwischen jungen und ausgewachsenen Organismen. Chronisch toxische Cd-Mengen verursachen eine mikrozytäre hypochrome Anämie, die bei Jungratten nach kürzerer und geringerer Exposition auftritt als bei erwachsenen Tieren. Nach der Resorption, die durch Milch und im Eisenmangel erhöht ist, akkumuliert Cd über Jahre bis zu toxischen Konzentrationen in der Nierenrinde. Dieser Fortgang beginnt im Säuglingsalter und kann in den ersten drei Lebensjahren bis zu 1/3 der Erwachsenenwerte erreichen. Hg++ und Methyl-Hg können u. a. eine Hg-Enzephalopathie hervorrufen, in deren Folge Kinder mehr als Erwachsene geistige Behinderungen zeigten. In Saugratten ist die Hg-Akkumulation im Hirn gegenüber erwachsenen Tieren zehnfach erhöht. Milch steigert die Bioverfügbarkeit von Hg++, das nach der Resorption bei Säuglingen vermehrt in den Erythrozyten gebunden wird. Methyl-Hg erreicht in der Muttermilch 5 % der mütterlichen Plasmakonzentration und führte bei epidemischen Vergiftungen zu schweren Schäden bei Säuglingen. Chronische Pb-Exposition kann Enzephalopathien verursachen, die bei Kindern in einem hohen Prozentsatz Krampfleiden und geistige Behinderungen hinterlassen. Anämien und Intelligenzminderungen werden bei Kindern nach sehr niedrigen Pb-Expositionen beobachtet. Die Pb-Resorption wird durch Milchgabe gesteigert und ist bei Kindern erhöht. Für Cd, Hg und Pb gibt es keine gesicherten Belege für Karzinogenese oder Mutagenese bei Menschen nach oraler Exposition. Der Schwermetallgehalt in kommerzieller Säuglingsnahrung liegt in derselben Größenordnung wie in der Muttermilch. Bei Verwendung von kontaminiertem Zapfwasser zur Rekonstitution von Fertignahrung ist die Belastung mit Pb und Cd jedoch erhöht. Die theoretische Metallaufnahme aus solchen Diäten, berechnet für einen normgewichtigen Säugling und einen repräsentativen Diätplan, übersteigt, bezogen auf das Körpergewicht, die „provisional tolerable weekly intakes“ der WHO für Erwachsene. Dabei führen Unterschiede in Resorption und Verteilung von Cd, Hg und Pb zu einer erhöhten Empfindlichkeit des kindlichen Organismus. Andererseits ergibt sich aus dem schnellen Wachstum von Säuglingen ein Verdünnungseffekt für essentielle Spurenmetalle, der von manchen Autoren auf toxische Metalle extrapoliert wird. Diesen theoretischen Überlegungen stehen epidemiologische Erfahrungen gegenüber. Eine Statistik über kindliche Bleivergiftungen aus Baltimore ist über einen Zeitraum von 13 Jahren stark rückläufig. Die einzelnen Stufen des Rückgangs lassen sich mit einem zeitgleichen Rückgang der kindlichen Pb-Belastung korrelieren, z. B. durch die Meidung von Bleifarben für den Hausanstrich oder die Abschaffung von bleihaltigem Verpackungsmaterial für Babynahrung. Am Ende des Beobachtungszeitraums weist die Mortalitätsstatistik keine einschlägigen Todesfälle mehr auf. In den USA wurde der zulässige Pb-Gehalt in der Säuglingsnahrung seither weiter reduziert. Die im oben genannten Beispiel aus deutschen Werten errechneten Pb-Belastungen liegen deutlich darunter. Zusammenfassend läßt sich aus den genannten epidemiologischen Erfahrungen keine akute Gefährdung durch die gegenwärtigen Cd-, Hg- und Pb-Gehalte in kommerzieller Säuglings- und Kleinkindnahrung ableiten. Das hohe toxische Potential läßt es aber wünschenswert erscheinen, die Gehalte dieser drei Metalle so niedrig zu halten, wie es nach neuestem technischem Stand möglich wäre. There are differences between young and adult organisms regarding toxokinetic aspects and clinical manifestations of heavy metal intoxications. Chronically, toxic Cd intake causes a microcytotic hypochromic anemia in young rats at lower exposure levels and after shorter exposure periods than in adult animals. Cd absorption is increased by co-administration of milk and in conjunction with iron deficiency. After long exposure periods toxic Cd concentrations accumulate in the kidney cortex; this process starts very early in life. In 3-year-old children Cd concentrations in the kidney can reach up to one-third of those found in adults. Hg++ and methyl-Hg can cause Hg encephalopathia, and frequently cause mental retardation in adults. Correspondingly, Hg++ accumulation in the brains of suckling rats is approx. 10 times higher than in grown animals. Milk increases the bioavailability of Hg++. In suckling rats Hg is bound to a greater extent to ligands in the erythrocytes. Methyl-Hg concentrations in breast milk reach 5% of those in maternal plasma and that is a severe hazard for breastfed children of exposed mothers. Toxic Pb concentrations can lead to Pb encephalopathia. A high percentage of surviving children have seizures and show signs of mental retardation. Anemia and reduced intelligence scores were recently observed in children after exposure to very low levels of Pb. Pb absorption is increased in children and after co-administration of milk. There are no definite proofs for carcinogenesis or mutagenesis after oral exposure to Cd, Hg, and Pb in man. Heavy metal concentrations were found in the same order of magnitude in commercial infant formulas and in breast milk. When infant formulas are reconstituted with contaminated tap water, however, Pb and Cd concentrations can be much higher. The average heavy metal uptake from such diets exceeds the provisional tolerable weekly intake levels set by the WHO for adults, calculated on the basis of an average food intake and a downscaled...Keywords
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