Lebenswege frühkindlicher Autisten im Erwachsenenalter - Eine Übersicht über langzeitkatamnestische Daten -

Abstract
Das Krankheitsbild des frühkindlichen Autismus wurde vor fast 60 Jahren erstmals beschrieben. Die katamnestische Datenlage zum Spätverlauf im Erwachsenenalter ist im Gegensatz zum Verlauf in Pubertät und Adoleszenz ausgesprochen spärlich. Als Ergebnis einer Literaturrecherche fanden wir 21 methodisch heterogene Katamnesestudien. Der arithmetische Mittelwert des Alters aller untersuchten Probanden lag bei 24,0 Jahren. Die Ergebnisse lassen sich durch verschiedene Einzelfallstudien und durch vereinzelte autobiografische Berichte Betroffener ergänzen. Die für die Pubertät und Adoleszenz belegten diskontinuierlichen und dynamischen Verlaufsveränderungen lassen sich mit den verfügbaren Daten im dritten und vierten Lebensjahrzehnt nicht in vergleichbarem Ausmaß fortschreiben. Zugewinne an Kompetenz und Autonomie scheinen sich im Arbeitsleben eher als im häuslichen Bereich zu entwickeln. Die signifikant günstigeren Verläufe der von Asperger beschriebenen Form setzen sich auch im Erwachsenenalter fort. Der krankheitsassoziierte Mangel an Empathie und sozialen Kontaktmöglichkeiten wird von den Betroffenen keineswegs selbstgenügsam bewältigt, sondern eher als Verlust erlebt. Ein beträchtlicher Anteil erwachsener Autisten äußert interpersonelle sexuelle Bedürfnisse. Die kumulativen Sterbeziffern der Katamnesestudien sprechen für eine gegenüber der Gesamtbevölkerung Gleichaltriger erhöhte Mortalität autistischer Patienten. The symptoms of infantile autism were first described almost 60 years ago. In contrast to its course in puberty and adolescence, follow-up-data on the late course in adulthood are decidedly sparse. As the outcome of research in the literature, we found 21 methodologically heterogeneous follow-up-studies. The arithmetic mean age of all subjects investigated was 24.0 years. The results are supplemented by various case reports and sporadic biographical reports by affected persons. On the basis of the available data, the discontinuous and dynamic changes of course verified in puberty and adolescence are not applicable to the third and fourth decades to the same extent. Gains in competence and autonomy appear to develop in the vocational rather than in the domestic sphere. The significantly more favorable courses of the form described by Asperger are continued in adulthood. The disorder-associated lack of empathy and social interaction is by no means experienced in terms of self-satisfaction by those concerned but rather as a loss. Interpersonal sexual needs are expressed by a substantial proportion of autistic adults. The cumulative mortality rates of the follow-up-studies suggest that the mortality rate among autistic patients is higher than among their non-autistic peers.

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