Toxische epidermale Nekrolyse (Arzneimittel-induziertes Lyell-Syndrom) - Teil 1: Klinik und Differentialdiagnose¹ -
- 31 December 2001
- journal article
- research article
- Published by Georg Thieme Verlag KG in Deutsche Medizinische Wochenschrift (1946)
- Vol. 126 (6) , 141-144
- https://doi.org/10.1055/s-2001-11051
Abstract
Die toxische epidermale Nekrolyse (TEN) [ 5 ] ist die Maximalvariante eines erythemato-bullösen Arzneimittel-assoziierten Exanthems mit hochakutem Verlauf, großflächiger Epidermolyse und erosiv-hämorrhagischen Schleimhautveränderungen. Die Erkrankung ist mit einer hohen Letalität verbunden (zwischen 25 und 60 %, im Durchschnitt etwa 30 %). Die Inzidenz beträgt etwa 0,4 - 1,2 Fälle/Mio. Einwohner pro Jahr. Betroffen sind vor allem Erwachsene im mittleren und höheren Lebensalter [ 9-11 ]. Die Pathogenese ist unklar. Die Ansammlung von zytotoxischen CD8-positiven T-Lymphozyten in der Epidermis und der Blasenflüssigkeit sowie die histopathologische Ähnlichkeit und gelegentliche Koinzidenz mit einer akuten GvHD sprechen für eine zelluläre zytotoxische Immunreaktion gegen Keratinozyten, die durch Medikamente in ihrer Antigenstruktur verändert wurden. Letztendlich kommt es zu einer Apoptose und somit zum Absterben der Keratinozyten, und dann als Folge zu einer basalen Epidermolyse. Keratinozyten exprimieren üblicherweise den zur TNF-Superfamilie gehörenden Apoptose-Rezeptor Fas (CD 95) und auch geringe Mengen Fas-Ligandenmoleküle, die durch Bindung an die Fas-Antigene auf der Keratinozytenoberfläche eine Apoptose einleiten können. Die Anzahl der Fas-Rezeptoren ändert sich während einer TEN nicht merklich. Dagegen kommt es zu einer stark erhöhten Expression von funktionell (lytisch) aktiven Fas-Ligandenmolekülen [ 11 ] [ 15 ] . Arzneimittel werden als mit Abstand wichtigster und häufigster TEN-Auslöser angesehen. Höhere TEN-Inzidenz-Raten fanden sich bei Patienten, die mit Sulfonamiden (insbesondere Trimethoprim/Sulfamethoxazol-Präparate), β-Lactam- (v. a. Ampicillin- und Amoxicillin-Derivate) und Quinolon-haltigen Antibiotika, Imidazolderivaten, nicht-steroidalen Antiphlogistika (v. a. Oxicam-Derivate) sowie Antikonvulsiva (v. a. Lamotrigin, Valproinsäure) behandelt wurden. Trotz der strukturellen Verwandschaft zu den antimikrobiell wirksamen Sulfonamiden war bei Thiazid-Diuretika und Sulfonylharnstoffen statistisch keine erhöhte Inzidenz feststellbar. Auch Glukokortikosteroide sind mit einem erhöhten Risiko behaftet. Bei der Behandlung mit Antikonvulsiva wurde das Auftreten von Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) / TEN hauptsächlich in den ersten 8 Wochen nach Beginn der Behandlung (Ausnahme: Valproinsäure), beobachtet. AIDS-Patienten zeigten eine vielfach höhere Inzidenz von schweren kutanen Arzneireaktionen und TEN v. a. bei systemischer Applikation von Sulfonamiden (Sulfadiazin-Derivate, Trimethoprim/Sulfamethoxazol sowie Fansidar) [ 10 ]. Abb. 1 Toxische epidermale Nekrolyse, Initialphase (2. Tag nach Exanthemmanifestation): kleine hämorrhagische Blasen (z.T. bereits konfluierend) auf dem Boden eines zunächst makulösen Exanthems. 1 1Teil 2: Therapie erscheint im nächsten Heft (Nr. 7)Keywords
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