Muster aus H‐Brücken: ihre Funktionalität und ihre graphentheoretische Analyse in Kristallen

Abstract
Während sich die klassische Organische Chemie bisher weitgehend mit der Synthese individueller Moleküle und der Untersuchung ihrer Eigenschaften beschäftigte, gewinnen nunmehr zunehmend Forschungsaktivitäten an Bedeutung, die sich mit dem Verständnis und dem Ausnutzen von Wechselwirkungen zwischen Molekülen befassen. Zwei für diese Entwicklung repräsentative Gebiete sind die supramolekulare Chemie und die molekulare Erkennung. Die Wechselwirkungen zwischen Molekülen werden durch intermolekulare Kräfte bestimmt, deren energetische und geometrische Eigenschaften viel weniger gut verstanden sind als die von klassischen chemischen Bindungen zwischen Atomen. Zu den stärksten dieser Wechselwirkungen gehören die H‐Brücken, deren gerichtete Eigenschaften auf lokalem Niveau (d. h. für nur eine H‐Brücke) besser als die vieler anderer Typen nichtbindender Wechselwirkungen verstanden werden. Trotzdem ist noch weithin ungeklärt, wie man vorgehen müßte, um die Konsequenzen der Bildung vieler H‐Brücken zwischen Molekülen und den daraus folgenden Aufbau von molekularen Aggregaten (im mikroskopischen Bereich) oder von Kristallen (im makroskopischen Bereich) zu charakterisieren, zu verstehen und vorherzusagen. Einer der vielversprechendsten systematischen Ansätze, um dieses Problem zu lösen, wurde ursprünglich von der inzwischen verstorbenen M. C. Etter entwickelt. In den letzten Jahren wurden ihre Ideen von anderen übernommen und angewendet. Diese Arbeiten bewiesen einerseits die Bedeutung und die potentielle Nützlichkeit der ursprünglichen Ideen und Ansätze, zeigten andererseits aber auch die Notwendigkeit auf, Etters Formalismus zu erweitern. Gerade letzteres war der Auslöser für die hier vorgestellten Arbeiten.