Untersuchungen an einer Patientin mit Anhidrosis, Unfähigkeit, nach Entbindung Milch zu sezernieren, und abnormen Reaktionen der Hautgefässe unter besonderer Berücksichtigung der Wärmeregulation1
- 12 January 1940
- journal article
- Published by Wiley in Acta Medica Scandinavica
- Vol. 105 (1-2) , 88-123
- https://doi.org/10.1111/j.0954-6820.1940.tb16085.x
Abstract
Zusammenfassung.: Der Verfasser berichtet über eine Untersuchung einer 34‐jährigen Patientin, die an angeborener Anhidrosis leidet. Die Unfähigkeit zu Schweissabsonderung umfasst alle Teile der Haut der KÖrperoberfläche mit Ausnahme der Axillen, der Oberlippe und des Gebietes um die Augen. In diesen letzteren Partien konnte Schweissabsonderung mässigen Grades sowohl durch Wärmebehandlung in einem elektrischen Lichtbad als durch subkutane Zufuhr von Pilokarpin hervorgerufen werden.Nach durchgemachten Entbindungen sonderten die Milchdrüsen während einiger Tage Kolostrum ab, worauf alle Sekretion derselben aufhÖrte.Histologische Untersuchung einer Hautpartie vom Rücken ergab normale Talgdrüsen in gewÖhnlichem Umfang. Die Schweissdrüsen in demselben Gebiet wiesen starke Zeichen von Atrophie auf.Ausser der SchweissdrüsenstÖrung zeigt die Patientin abnorme Gefässreaktionen in den Hautgebieten, wo die Schweissabsonderung aufgehoben ist. So bewirkte mechanische Reizung der Haut auf der Innenseite des Unterarms nach anfänglicher RÖtung eine kräftige Ablassung. Dagegen reagierte die Haut in den Axillen in dieser Hinsicht normal. Offensichtlich besteht ein UnvermÖgen der Hautgefässe, überhaupt auf zentrale dilatatorische Impulse zu reagieren.Die Untersuchung der Wärmeregulation der Patientin ergab folgendes Resultat:Bei Erwärmung in einem elektrischen Lichtbad stieg die Mund‐temperatur bei der Patientin rascher als bei den Kontrollpersonen.Die Physikalische Wärmeregulation: a. Gefässreaktionen. Während der Lichtbadbehandlung war die Haut, weniger gerÖtet als normal. Sowohl die Örtliche als die konsensuelle Reaktion auf Kälte war normal. Die konsensuelle Reaktion auf warme Temperaturen bis 45° C blieb aus. Bei Temperaturen zwischen 45° und 48° C trat bisweilen eine kurze, initiale Gefässkontraktion ein. Die lokale Wärmereaktion war vorhanden, aber weniger ausgesprochen als normal. — Unter gewissen Bedingungen dürften auch die inversen Hautgefässreaktionen auf mechanische Reizung in wärmeregulatorischer Beziehung eine Rolle spielen. b. Respiratorische Funktionen. Während Erwärmung war eine leichte Wärmepolypnoe zu konstatieren. Während das Minutenvolumen keine einheitliche Tendenz bei Erwärmung zeigte, stieg die Atmungsfrequenz mehr als bei den Kontrollpersonen. Dabei nahm die Atemtiefe ab.Die chemische Wärmeregulation. Untersuchungen über den Sauerstoffverbrauch während Erwärmung lieferten keine Antwort auf die Frage, ob dabei Impulse zu einer Kompensation der mit der Anhidrose verbundenen Herabsetzung der wärmeregulatorischen Fähigkeit erteilt werden.Die mit KÖrperanstrengungen und erhÖhter Aussentemperatur verknüpften Beschwerden beruhen nicht bloss auf der Unfähigkeit zu Schweissabsonderung, sondern auch auf der abnormen Reaktionsart der Hautgefässe. Unter alltäglichen Bedingungen, wo der wärmeregulatorische Apparat nicht stärker in Anspruch genommen wird, scheinen die Beschwerden hauptsächlich gerade durch diese vaskulären Verhältnisse verursacht zu werden.Es wird ein Zusammenhang festgestellt zwischen den vaskulären und den glandulären StÖrungen in der Haut, die beide durch eine Mangelhaftigkeit der »cholinergischen» Hautfunktionen gekennzeichnet sind. Für diese beiden Erscheinungen wird eine gemeinsame Ursache angenommen, nämlich ein peripher gelegener Defekt im »cholinergischen» Innervationsmechanismus. — Vieles spricht auch dafür, dass der Defekt in der Tätigkeit der Mammardrüsen demselben Ursachsmoment zuzuschreiben ist, welches die änderungen der übrigen Hautfunktionen herbeigeführt hat.Die Bedeutung der Innervation für trophische StÖrungen in der Haut wird erÖrtert, da die Patientin angegeben hat, dass bei ihr äusserst leicht Hautwunden entstehen und sehr langsam heilen. Es wird konstatiert, dass mangelnde Hautsensibilität in diesem Fall nicht die Ursache sein kann und dass auch andere Faktoren als die zirkulatorischen zu der schlechten Heilungstendenz beitragen müssen.Nach 4‐monatiger Thyreoideazufuhr reagierte die Patientin unter Wärmeeinwirkung auch in Hautgebieten mit Schwitzen, in denen früher niemals Schweissabsonderung stattgefunden hatte. Ebenso hatten durch diese Behandlung die abnormen Hautgefässreaktionen eine Veränderung in Richtung auf normale Verhältnisse erfahren. Dieser Umstand sowie die Beobachtung, dass das KÖrpergewicht im Gegensatz zu dem gewÖhnlichen Verhalten durch Thyreoideabehandlung eine Zunahme erfährt, sprechen dafür, dass die Ursache der festgestellten FunktionsstÖrungen der Haut ausser in Momenten, die in der Haut selbst lokalisiert sind, in einer Dysfunktion der Schilddrüse zu suchen ist.Keywords
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