Aktuelle Aspekte der Pharmakologie der Kochlea
- 1 January 1992
- journal article
- Published by S. Karger AG in Oto-Rhino-Laryngologia Nova
- Vol. 2 (1) , 21-27
- https://doi.org/10.1159/000312616
Abstract
Nach der Ubersicht über die Physiologie der Kochlea sowie der Darstellung aktueller Befunde und Thesen zur zellbiologischen Wirkungsweise ototoxischer Medikamente (Teil 1) wird in Teil 2 erläutert, wie Pharmaka bei bestimmten Innenohrerkrankungen die gestörte Innenohrfunktion therapeutisch beeinflussen oder zur Diagnostik benutzt werden können. Beim endolymphatischen Hydrops besteht ein Missverhältnis zwischen Endolymphproduktion und -resorption. Glyzerol (oral) und Dextran (intravenös) sind osmotisch wirksam und können zu einer – zumindest vorübergehenden – Besserung der gestörten Innenohrfunktion führen. Gefásserweiternde Medikamente führen nicht zu einer statistisch signifikanten Verbesserung der Beschwerden. Die intratympanale Gentamyzingabe, indiziert bei schweren Verlaufsformen, zerstört nahezu selektiv die vestibulären Haarzellen. Innenohrfunktionsstörungen können mit einer Störung des Immunsystems assoziiert sein. Diese Erkenntnis wurde unter anderem durch die klinische Beobachtung gewonnen, dass Nebennierenrindenpräparate oder Immunsuppressiva die Hörleistung bei einigen Patienten verbessern können. Serologische, immunologische, immunhistochemische und biochemische Tests, z. B. das «Western-Blotting»-Verfahren, können wertvolle Hinweise geben, ob bei einem Patienten eine immunassoziierte Hörstörung vorliegt und ob so die Indikation zu einer immunmodulierenden Therapie gegeben ist. Die akute kochleäre Funktionsstörung (Hörsturz) kann unter anderem mit Medikamenten behandelt werden, die die Rigidität der Erythrozyten senken. Die Wirksamkeit einer hochdosierten intravenösen Gabe von Lidocain beruht möglicherweise auf elektrophysiologischen Wechselwirkungen von Lidocain mit lokalanästhetikasensiblen Ionenkanälen im Innenohr. Drei verschiedene Angriffsorte werden diskutiert: 1. Ionenkanäle von Haarzellen (die Haarzellen besitzen apikale und laterale Ionenkanäle zur Transduktion sowie GABA-und Azetylcholinrezeptoren mit assoziierten Ionenkanälen). 2. Ionentransportprozesse von Zellen der Stria vascularis. 3. (Glutamat?) Rezeptorassoziierte Ionenkanäle von afferenten Nervenfasern der Synapsen der inneren Haarzellen. Die Pharmakotherapie spontan auftretender Ohrgeräusche (Tinnitus) bei zumindest einigen Patienten basiert auf Erkenntnissen, dass teilweise Ohrgeräusche durch Störungen der mechanoelektrischen und der elektromechanischen Transduktion verursacht werden. Der «entgleiste» nervale Regelmechanismus der aktiven Verstärkerfunktion in der Kochlea wird mit Pharmaka, die den Überträgerstoffen an den Haarzellen gleichen oder mit der Wirkung der Überträgerstoffe interferieren, probatorisch therapiert. Neue Erkenntnisse, insbesondere zur Innenohrbiologie auf molekularer Ebene, lassen die Möglichkeiten für eine gezielte Molekülmanipulation zur Medikamentenherstellung («drug design») in realistische Nähe rücken.Keywords
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