Klinische und prognostische Relevanz der Kiel-Klassifikation der Non-Hodgkin-Lymphome

Abstract
Durch die Kiel-Klassifikation wurde eine Neuordnung der Non-Hodgkin-Lymphome in distinkte, auch klinisch-prognostisch differenzier-bare Lymphom-Entitäten erreicht. Im Vergleich zu früheren Klassifikationen grenzt dieses Einteilungsschema zusätzliche Lymphom-Typen (z.B. CC-Lymphom, LP-Immunozytom) (Abkürzungen s. Text) ab, denen wiederum gesonderte klinische Krankheitsbilder ent-sprechen. Im Rahmen einer multizentrischen prospektiven Beobachtungsstudie (Rekrutierung von 1127 unbehandelten Patienten von 1975 bis 1980; Nachbeobachtungsphase bis 1985) wurden eine genauere Definition des klinischen Bildes der einzelnen Lymphom-Entitäten (u.a. Häufigkeit, Alters- und Geschlechtsverteilung, Befalls- und Ausbreitungsmuster) erarbeitet sowie der Erfolg radio-und/oder chemotherapeutischer Maßnahmen überprüft. In der Gruppe der NHL von niedrigem Malignitätsgrad (69,4% der Fälle) lag initial das streng lokalisierte Stadium I/IE der Ann-Arbor-Klassifi-kation bei 1,5-8%, in der Gruppe der hochmalignen NHL (30,2% der Fälle) bei 8-17% der Patienten vor. Durch alleinige lokoregionale Radiotherapie konnte bei 86-89% (CB- und IB-Lymphome) bzw. 100% (LP-Immunozytom, CB-CC- und CC-Lymphome) dieser Patienten eine Vollremission erreicht werden; lediglich die CC- und IB-Lymphome ließen ein relevantes Rezidivrisiko (40 bzw. 50%) erkennen. Eine totallymphatische Radiotherapie führte im Stadium III des CB-CC-Lymphoms noch in etwa der Hälfte der Fälle zu anhaltenden Vollremissionen. Die Überlebenswahrscheinlichkeiten der mit verschiedenen Formen der Chemotherapie behandelten Patienten in den initialen Stadien III und IV spiegeln grundsätzliche prognostische Merkmale der einzelnen Lymphom-Entitäten wider. So weist der kontinuierliche Abfall der Überlebenskurven bei den NHL von niedrigem Malignitätsgrad auf die unabhängig von den bisherigen Therapiestrategien langfristig geringe Beeinflußbarkeit dieser Erkrankungen hin. Bei den hochmalignen NHL unterstreicht der initial steile Abfall der Überlebenskurven mit nachfolgender Plateaubildung die Bedeutung des Erreichens einer Vollremission und die daraus resultierende Heilungschance. Durch uni- und multivariate Analyse der Daten konnten für die verschiedenen Lymphom-Entitäten charakteristische Muster von Risikofaktoren identifiziert werden.