Abstract
Dieser Beitrag untersucht die Herkunft der Londoner Findelkinder im Zeitraum 1749–60. Auf der Grundlage der Aktenbestände des ‘Foundling Hospital’, ergänzt durch Material der wöchentlichen ‘Bills of Mortality’ wird nachgewiesen, daß die Findelkinder tatsächlich uneheliche Kinder waren, wie bereits von den Zeitgenossen vermutet. Dagegen waren der Verlust der Eltern oder deren materielle Verarmung kein Grund dafür, daß Kinder ins ‘Hospital’ geschickt wurden. Es zeigt sich, daß das Illegitimitätsniveau Londons über dem nationalen Durchschnitt lag – ganz im Gegensatz zur Situation um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Darüber hinaus wurde die Zahl unehelicher Kinder (abzulesen an der Zahl der Findelkinder) stark von ökonomischen Bedingungen (gemessen am Brotpreis) beeinflußt. Die zeitlich verzögerte Bewegung beider Faktoren legt für London ein spezifisches Verhaltensmodell der Brautwerbung nahe, demzufolge die Heirat als durch das ‘Hofmachen’ bestimmt erscheint, während umgekehrt dem ländlichen Modell eine Form der Brautwerbung entspricht, die von der nachfolgenden Heirat bestimmt ist. Eine Bestätigung dieses Modells ergibt sich aus der Untersuchung des Einflusses der Preisentwicklung auf die in London geschlossenen Ehen. Anschließend wird das Modell im Zusammenhang mit den im 18. Jahrhundert auf dem Lande zu beobachtenden Veraänderungen des Hofierens, der Heirat, der vorehelichen Schwangerschaft und der unehelichen Geburten diskutiert. Daraus ergibt sich die These, daß London als Schnittmacher gesamtgesellschaftlicher Veränderungen in den Verhaltensmustern der Brautwerbung angesehen werden kann.

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