Moleküldynamik‐Computersimulationen; Methodik, Anwendungen und Perspektiven in der Chemie

Abstract
Während der letzten Jahrzehnte ist es möglich geworden, die Dynamik molekularer Systeme mit dem Computer zu simulieren. Bei Moleküldynamik(MD)‐Simulationen löst man Newtons Bewegungsgleichungen für ein molekulares System, wobei die Trajektorien aller im System vorhandenen Atome erhalten werden. Aus diesen atomaren Trajektorien kann eine Vielzahl von Eigenschaften berechnet werden. Computersimulationen molekularer Systeme haben das Ziel, makroskopisches Verhalten aus mikroskopischen Wechselwirkungen zu errechnen. Die wesentlichen Beiträge, die eine mikroskopische Betrachtungsweise liefern kann, sind 1) das Verständnis, 2) die Interpretation experimenteller Ergebnisse, 3) halbquantitative Abschätzungen experimenteller Resultate und 4) die Fähigkeit, experimentelle Daten in Bereiche zu interpolieren oder zu extrapolieren, die im Labor nur schwer zugänglich sind. Eines der beiden grundlegenden Probleme auf dem Gebiet der Modellierung und Simulation molekularer Systeme besteht darin, den riesigen Konfigurationsraum, der von allen möglichen Molekülkonformationen aufgespannt wird, auf effiziente Weise nach jenen Bereichen global niedriger (freier) Enthalpie zu durchsuchen, die von einem molekularen System im thermischen Gleichgewieht besetzt sind. Das andere Grundproblem ist die Ableitung einer hinreichend exakten Energiefunktion oder eines Kraftfelds für Wechselwirkungen im zu untersuchenden molekularen System. Die Kunst der Computersimulation besteht auch darin, die unvermeidbaren Annahmen, Näherungen und Vereinfachungen für das molekulare Modell und den Rechenvorgang so zu treffen, daß ihre jeweiligen Beiträge zur Gesamtungenauigkeit von ähnlicher Größe sind, ohne dabei die interessierende Systemeigenschaft signifikant zu beeinflussen. Die Methodik und einige praktische Anwendungen der Computersimulation auf dem Gebiet der (Bio)chemie sind der Gegenstand dieser Übersicht.