Retardiert freigesetztes Naloxon oral: Aufhebung der Obstipation durch orales Morphin ohne Beseitigung der Analgesie
- 1 December 1993
- journal article
- abstracts
- Published by Springer Nature in Der Schmerz
- Vol. 7 (4) , 314-321
- https://doi.org/10.1007/bf02529868
Abstract
Eine längere Anwendung von Morphin zur Schmerztherapie verursacht meist eine Obstipation, die den Einsatz von Laxanzien erfordert, von denen die wirksamsten den Elektrolythaushalt empfindlich stören können. Die Obstipation beruht auf einer Bindung von Morphin an Opioidrezeptoren im Darm und Zentralnervensystem, wobei der Angriff am Darm von größerer Bedeutung ist. Die besondere Pharmakokinetik von Naloxon liefert einen Ansatz für den Versuch, die durch orales Morphin ausgelöste Obstipation zu beseitigen, ohne die durch Morphin ausgelöste Analgesie zu beeinträchtigen. Oral appliziertes Naloxon wird rasch resorbiert und präsystemisch eliminiert. Daher könnte bei Anwendung entsprechend hoher Dosen Naloxon über weite Abschnitte des Magendarmtraktes die lokale Morphinwirkung aufheben, ohne nach Resorption die zentrale Wirkung des Morphins zu verhindern. Bei Ratten oral gegebenes Morphin verzögert in Dosen von 1, 2,5 und 5 mg/kg dosisabhängig die Darmpassage. Dosen von 10 und 20 mg/kg sind nicht wirksamer als 5 mg/kg. Bei gleichzeitiger oraler Anwendung von Morphin und Naloxon 10 mg/kg in wäßriger Lösung wurde die obstipierende Wirkung der verschiedenen Morphindosen aufgehoben oder deutlich abgeschwächt. Die im Tail-flick-Test ermittelte antinozizeptive Wirkung als Indiz einer Analgesie äußerte sich 1, 2 und 3 h nach oraler Anwendung von Morphin 2,5 mg/kg in einer deutlichen Verlängerung der Latenz der nozizeptiven Reaktion. Nach kombinierter oraler Anwendung von Morphin 2,5 mg/kg und Naloxon 10 mg/kg in wäßriger Lösung war die Latenz ebenfalls deutlich verlängert. Die Latenzen nach Morphin allein und nach Morphin plus Naloxon unterschieden sich nicht. Das bedeutet, daß Naloxon in wäßriger Lösung oral gegeben die obstipierende Wirkung von oral gegebenem Morphin aufhebt, nicht jedoch die antinozizeptive Wirkung. Bei gleichzeitiger oraler Anwendung von Morphin und Naloxon 5 mg/kg in Retardform wurde die Wirkung von Morphin 2,5 mg/kg auf die Darmpassage aufgehoben und die von Morphin 5 mg/kg abgeschwächt. Naloxon 3 mg/kg war schwächer wirksam. Im Tail-flick-Test schwächte Naloxon in Retardform die antinozizeptive Wirkung von Morphin 2,5 mg/kg ab, hob sie jedoch nicht auf. Die Dauer der antinozizeptiven Wirkung von Morphin 5 mg/kg wurde durch Naloxon 5 mg/kg in Retardform verkürzt, die maximale Wirkung jedoch nicht vermindert. Retardiert freigesetztes Naloxon ist gegen die periphere und die zentrale Wirkung von Morphin wirksamer als Naloxon in wäßriger Lösung. Die Abschwächung der zentralen, antinozizeptiven Wirkung durch Naloxon in Retardform beruht wahrscheinlich darauf, daß Naloxon in dieser Form sogar das Rektum erreicht und von dort unter Umgehung gar das Rektum erreicht und von dort unter Umgehung der Leber in das Zentralnervensystem gelangt. Die kombinierte orale Anwendung von Naloxon mit Morphin könnte zur Vermeidung einer Obstipation bei der Behandlung chronischer Schmerzen von praktischer Bedeutung sein.Keywords
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