Die Prävalenz der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland

Abstract
Zusammenfassung Leitsymptome der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) sind Unaufmerksamkeit, motorische Unruhe und Impulsivität. ADHS wird ätiologisch vorrangig auf genetische Ursachen zurückgeführt und bringt eine erhebliche psychosoziale Problematik für die Betroffenen und ihr soziales Umfeld mit sich. Im Rahmen des Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) beantworteten die Eltern von insgesamt 7569 Jungen und 7267 Mädchen im Alter von 3–17 Jahren schriftlich einen Fragebogen, der unter anderem eine ADHS-Diagnosefrage und den Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ) enthielt. Zusätzlich erfolgten Verhaltensbeobachtungen von 7919 Kindern (Altersspanne 3–11 Jahre) während der medizinischphysikalischen Tests. Als ADHS-Fälle wurden Teilnehmer eingestuft, deren Eltern eine jemals von einem Arzt oder Psychologen gestellte ADHS-Diagnose angegeben hatten. Als ADHS-Verdachtsfälle wurden Teilnehmer betrachtet, die Werte von ≥ 7 auf der Unaufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsskala des SDQ (Elternurteil) aufwiesen. Bei insgesamt 4,8 % der Kinder und Jugendlichen wurde jemals ADHS diagnostiziert. Weitere 4,9 % der Teilnehmer können als Verdachtsfälle gelten. Bei Jungen wurde ADHS um den Faktor 4,3 häufiger diagnostiziert als bei Mädchen. Bereits bei 1,8 % der Teilnehmer im Vorschulalter wurde ADHS diagnostiziert. Im Grundschulalter (7–10 Jahre) steigt die Diagnosehäufigkeit stark. Im Alter von 11–17 Jahren wurde bei jedem zehnten Jungen und jedem 43. Mädchen jemals ADHS diagnostiziert. ADHS wurde häufiger bei Teilnehmern mit niedrigem sozioökonomischem Status diagnostiziert als bei Teilnehmern mit hohem Status. Von Migranten wird seltener über eine ADHS-Diagnose berichtetet, sie sind jedoch häufiger unter den Verdachtsfällen. Diese Diskrepanz könnte auf eine Unterdiagnostizierung oder auf Inanspruchnahmeeffekte bei Migranten hinweisen. Die kurz- und langfristigen medizinischen, sozialen und gesundheitsökonomischen Konsequenzen von ADHS verdeutlichen die hohe Public-Health-Relevanz der Störung. Der hohe Anteil genetischer Faktoren an der Ätiologie der ADHS lässt hier vor allem an Maßnahmen der Sekundär-(Früherkennung und Frühförderung) und Tertiärprävention denken. Mit weiteren Auswertungen der KiGGS-Daten können Risikogruppen zukünftig genauer identifiziert und Präventionsansätze weiterentwickelt werden.